Elmar Hermann
Hey Mami, You sexy
27.02.2015

26.03.2015

Vernissage:
Do. 26.02.2015, ab 19.00 Uhr

Öffnungszeiten:
Fr. & Sa. 14.00 — 18.00 Uhr

Inner Space

Eine Schlüsselszene in Brian de Palmas nach einer Kurzgeschichte von Stephen King inszeniertem, grandiosem Horrorfilm CARRIE (USA 1976) schildert den Streit zwischen Carrie (Sissy Spacek) und ihrer bigotten psychotischen Mutter (Piper Laurie). Mutter und Tochter, Frau und Frau erleben in dieser Filmszene eine heftige Konfrontation – eine im Horrorgenre vergleichsweise seltene Konstellation, im Vergleich zu den genreimmanent öfter “positiv“ inszenierten Vater-Sohn-Beziehungen.
Du und Ich, das Gegenüber und das Dazwischen, Körpernegierung und Erweckung: Hey Mami, You sexy. Exakt jenen Raum – emotional wie physisch – zwischen den beiden Akteurinnen nimmt Elmar Hermann als Ausgangspunkt für seine im SSZ Sued installierte Arbeit. Der Bereich, der zwischen den beiden Protagonistinnen in der Filmszene entsteht, wird dabei, ausgehend vom filmischen Standbild, übertragen in eine Positivform. Das Abstraktum eines “Energiefeldes“ zwischen zwei Menschen ist materialisiert, zu einem Kultobjekt verdichtet.
Faszinierend ist dabei der mediale Paragone: Film als vermeintlich maximal wirklichkeitsnahes Medium ist doch de facto eine in der Zeit eingeschriebene Erzählung, repräsentiert im zweidimensionalen Bild der ephemeren Projektion, hier: digitalen Repräsentation. Der (angehaltene) Filmmoment erfährt eine Übersetzung in physische Präsenz im realen Ausstellungsraum.
Überlebensgroß steht die Plastik im Ausstellungsraum: Die Oberfläche aus Gips, rein, weiß, fast ein wenig metaphysisch: noli me tangere, berühre mich nicht. Wie wenn die Plastik aus einer Antikensammlung oder Glyptothek – versehen mit einem Update ins 21. Jahrhundert – in der Realität des urbanen White Cube gelandet wäre.
Die Bildhauerei kennt Positiv- und Negativformen, je nach verwendeter künstlerischer Technik. Hermann präsentiert wortwörtlich eine Negativfigur, die aus der starken, destruktiven Energie zwischen den beiden Frauen geschaffen wurde. Das handgefertigte Artefakt ist klar auf die Dimensionen des SSZ Sued ausgerichtet. Es fungiert im Ausstellungsraum wie ein Vexierbild oder eine Kippfigur in der zweidimensionalen Zeichnung, hier in die dritte Dimension erweitert. In Wittgensteins Sprachphilosophie, mit der sich Elmar Hermann immer wieder intensiv beschäftigt, spielt das Phänomen des Aspektwechsels bei der Betrachtung einer Kippfigur eine zentrale Rolle. Die Freiflächen zur Linken und Rechten der Plastik stehen für die Protagonistinnen der Filmszene, das Auge des Betrachters wechselt zwischen Körperlichkeit und Freiraum hin und her.
Die Rezeption der Arbeit funktioniert somit ähnlich einem kubistischen Gemälde, bei dem auf einer Fläche zwei Ansichten einer Figur gleichzeitig wiedergegeben werden, was ein Widerspruch gegen die Natur zu sein scheint, jedoch innerhalb des Spielraums der Kunst möglich ist und somit eine radikale Interpretation unserer gewohnten Weltsicht darstellt. Assoziationen an den Kubismus weckt zudem die Edition, ein Siebdruck auf Inkjet-Print: Er zeigt besagte Filmszene, versehen mit aufgedruckten Augen von einem ägyptischen Sarkophag.
In der Pharaonenzeit um 1500 v. Chr. wurde der Sarkophag der Form der menschlichen Gestalt angepasst, im Innern befand sich der weiße, einbalsamierte Leichnam. Eine Figur (der Tote) ist umhüllt von einer weiteren Figur (der Sarkophag in Menschengestalt). Zunächst zierten Hieroglyphen den Sarkophag, mit der Unterwerfung Ägyptens als römische Kolonie setzte sich das Mumienporträt durch, ein realistisch gemaltes Porträt des Toten als Tafelbild, welches den Kopfbereich eines Sarkophags schmückte. Dieses getreue Abbild des Toten sollte das Leben widerspiegeln – ein reizvolles Äquivalent zum Standbild aus CARRIE, dem durch die Pausenfunktion der “Odem“ der Zeitlichkeit genommen wurde zu Gunsten einer Erweckung in plastischer Körperlichkeit.

Elke Kania

Finissage:
Do. 26.02.2015

SCHAUERGESCHICHTEN
am 26.03.2015 um 19.00 Uhr
Zum Abschluss der Ausstellung “Hey Mami, You sexy” von Elmar Hermann im SSZ-Sued liest Coskun kurze Schauergeschichten von Lafcadio Hearn, Théophile Gautier und Glen Rubsamen. Die drei Autoren erfinden vor jeweils unterschiedlichem kulturellem und historischem Hintergrund weibliche Geister und Kreaturen, die die Welt der Lebenden nachhaltig beeinflussen.

SSZ Sued