INA JOHANNA GÖTTE
satt und sauber
13.04.2017
—
20.04.2017
Ina Johanna Götte zeigt in ihrer Ausstellung „Satt und sauber“ im SSZ Sued Köln eine bildhauerische Arbeit mit dem Titel „Andrea(s) in der Karibik“. Sie besteht aus einer Figur im Rollstuhl, einem blauen Fotohintergrundstoff, aufgespannt zwischen zwei Fotostativen und einem Halogen-Heizstrahler. Ein Digital Fine Art Print, kaschiert auf Alu-Dibond mit dem Titel „Für die verlorene Form“ ist der Ausgangspunkt. Er übernimmt auf Kommunikationsguerilla-Art eine Reklame von Coca-Cola, die eine unterm Sonnenschirm sitzende, lachende Frau vor blauem Meer zeigt und ergänzt den Werbeslogan „You can’t beat the feeling“ durch den Reim „I can´t feel the healing“.
Die Figur im Rollstuhl besteht aus dem Torso einer männlichen Schaufensterpuppe, mit einem um die Hüften geschlagenen, weißen Handtuch. Der Kopf trägt als Abguss das Gesicht der Künstlerin und eine lange, blonde Perücke. Bei dem Rollstuhl handelt es sich um einen speziellen Dusch- und Toilettenrollstuhl, der nach unten hin geöffnet ist. Der kreisrunde, spiegelnd polierte Ständer der Schaufensterpuppe ist so unter ihr platziert, dass Betrachter, die sich in einem bestimmten Abstand hinter sie stellen, darin den Abguss des Intimbereichs zu sehen bekommen. Die Figur blickt, wie das Model bei einem Fotoshooting, in die Bläue der vor ihr aufgespannten Leinwand. Neben ihr das orange Licht des sich hin- und her bewegenden Heizstrahlers.
Die Künstlerin überführt ein Werbebild ‒ lachende Frau am Strand ‒ zurück in die installative Situation eines Fotoshootings, also der realen Situation zur Herstellung von Künstlichkeit. Zugleich verschiebt sich der inszenierte Ort weg von der Werbe- hin zur Pflegeindustrie, nicht, ohne dass auch der Ort der Kunst und die Betrachtung der Betrachter markiert werden. Die Aktfigur geht wie ein Riss durch die verschiedenen Darstellungsebenen und legt Perspektiven auf Kunst, Künstlichkeit und Realität frei. Sie ist zu beschreiben als Cyborg, ein Wesen, dessen zusammengesetzte Einheit auf innerer Differenz beruht. Die Aufgliederung in verschiedene Modellebenen, der Herstellung von Inszenierung, lässt keinen Platz für eine nicht-künstliche, ursprüngliche Wirklichkeit. Damit entsteht ein Realismus, der sich nicht an Ähnlichkeit, sondern an Wahrheit hält. Kunst wäre ein möglicher Ort für die Machtfrage der Verknüpfung der Konstruktion von Wirklichkeit und von Wahrheit.
Die Künstlerin, Studium an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg, lebt und arbeitet in Berlin.
Text Fabian Ginsberg
Next Previous